Inkone im Gespräch
"Meine Angst hat mich dazu gebracht, niemals aufzugeben"

Kathrine Switzer im Interview

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Das Foto des Zwischenfalls wurde vom Time-Life Magazin als eines der „100 Fotos, die die Welt veränderten“ eingeordnet.

Kathrine Switzer ist die erste Frau, die einen Marathon lief und dafür registriert war. 1967 war die Teilnahme von Frauen bei einem solchen Wettkampf noch nicht zulässig. Das ist noch gar nicht solange her. Ein Interview mit Kathrine Switzer darüber, wie es 1967 war, den Boston-Marathon zu laufen und warum sie sich seitdem dafür einsetzt, dass gerade Frauen den Sport ausüben können. 

Warum sind Sie den Boston-Marathon 1967 gelaufen? Haben Sie erwartet, dass es Ihr Leben so verändern wird?

Ich war fasziniert von den menschlichen Fähigkeiten über lange Distanzen. Ich konnte nicht wirklich schnell laufen, aber ich habe mich gefühlt, als könnte ich für immer laufen. Dann hat mein Trainer gesagt, dass der Marathon zu schwer sei, um von einer Frau gelaufen zu werden, und schon stand die Herausforderung. Er sagte: „Ich bin die erste Person, die dich nach Boston bringt, wenn du im Training die 42 km schaffst.“ Eine Herausforderung treibt dich an; ein Ziel treibt dich dazu an, das lange harte Training zu absolvieren, dass es braucht. Ich wollte mit meinem ersten Marathon nur beweisen, dass ich die Distanz schaffen kann. Um es meinem Trainer zu zeigen, bin ich einen Monat vor dem Boston-Marathon beim Training tatsächlich 50 km gelaufen. Nach Boston zu fahren, war also meine Belohnung, weil ich ihm gezeigt hatte, dass ich es kann. Ich habe nicht an dem Rennen teilgenommen, um irgendetwas zu beweisen, aber ich war stolz darauf, eine starke Frau zu sein und ich war stolz darauf, dass mein Trainer darauf bestand, dass ich mich offiziell für das Rennen anmelden solle. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es meine Zukunft beeinflussen würde, außer in der Hinsicht, dass ich wusste, dass ich das Laufen liebe und das ich für den Rest meines Lebens lange Distanzen laufen würde.

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Erst nachdem der Offizielle mich während des Rennens attackiert hatte, veränderte sich alles: Ich wusste, dass ich das Rennen zu Ende bringen musste und für das Recht anderer Frauen laufen zu dürfen kämpfen musste.

Kathrine Switzer, derzeit als ikonischer Moment in der aktuellen Ausstellung zu sehen

Wie viele Marathons sind Sie seitdem gelaufen? Was war Ihr liebster Lauf?

Ich bin bis heute 42 Marathons gelaufen. Der in Boston ist mein Favorit, weil ich sowohl die hügelige Landschaft mag wie auch die mit dem Lauf verbundene Tradition.

Bitte erzählen Sie uns mehr über Ihre Organisation „261fearless“. Warum haben Sie die gegründet? 

Nachdem ich die Kampagne geleitet hatte, um den Frauen-Marathon offiziell als olympische Disziplin anerkennen zu lassen (1984 in Los Angeles), dachte ich, dass Frauen im Bereich des Laufens endlich gleichgestellt wären. Zu dieser Zeit war das Laufen für Frauen bereits eine soziale Revolution: Fitness, Gesundheit und Frauenrechte – all dies wurde durch die Kraft, die das Laufen Frauen gibt, vorangetrieben. Aber 1984 und auch noch heute leben die meisten Frauen in einer angstvollen Situation. Sie werden eingeschränkt durch Armut, Gerüchte, soziale und kulturelle Bräuche und Erwartungen. Sie denken, sie können nichts tun, um ihre Situation zu ändern. Aber diejenigen, die walken, joggen und laufen, verändern sich – transformieren sich – und das Selbstbewusstsein, dass sie durch diese günstige und einfache Bewegung bekommen, lässt sie an sich selbst glauben. So ist „261“ entstanden. Leute haben mit dem Laufen angefangen, haben meine Geschichte entdeckt und waren von dieser berührt und haben mir erzählt, dass meine alte Startnummer 261 ihnen ihre Angst nahm, da ich sie während des Rennens trotz meiner eigenen Angst verteidigte; ich gab nicht auf. Der alte Offizielle machte mich furchtlos. In dem Moment jedoch hatte ich schreckliche Angst – ich war eine erst 20 Jahre alte Frau während ihres ersten Rennens – doch meine Angst hat mich dazu gebracht niemals aufzugeben.

Was wollen Sie damit erreichen? 

Während das Rennen fortschritt, beruhigte ich mich und habe viel darüber nachgedacht, warum es zu dieser Situation gekommen ist. Ich wusste, dass ich mich glücklich schätzen konnte, dass ich die Gelegenheit hatte zu laufen, und viele Frauen diese nicht hatten oder überhaupt auf die Idee kamen, so etwas Herausforderndes zu tun. Ich wurde in diesem Rennen dazu inspiriert, etwas für sie zu verändern, und diese Inspiration führte zu einer Karriere im Sportmanagement, in der Werbung, im Journalismus, als TV-Kommentatorin, als Autorin und auch zur Gründung der Non-Profit-Organisation „261 Fearless“, benannt nach meiner allerersten Startnummer und meiner Geschichte.  

Wie kann man sich anmelden?

Meine Freunde und ich haben die Organisation gegründet, die heute ein globales Netzwerk ist. Wir sind erst seit 2016 aktiv, aber es gibt uns schon in elf Ländern. Man kann sich bei uns als Mitglied anmelden oder besser noch als Club-Trainer oder –Leiter. Dazu muss man einfach auf die Website  gehen, auf den Reiter „Education“ klicken und sich die Infos durchlesen.

Warum nehmen Sie an Events wie dem vor dem Berlin Marathon teil? Was bedeutet Ihnen das?

Ich nehme an diesen Events teil, weil ich dafür sorgen möchte, dass die Botschaft, wie viel Gutes Laufen für die Bevollmächtigung und die Gesundheit tun kann und wie viel Spaß es macht, so viele Menschen wie nur möglich erreicht – vor allem Frauen. Ich möchte, dass sie sich bewegen und sich wohl mit sich selbst fühlen. Zu reisen und in schönen und bezahlbaren Unterkünften zu übernachten, ist eine Freude und ein Abenteuer. Abenteuer und Reisen machen stark, sie öffnen uns die Augen für eine völlig neue Welt. Oft haben Frauen Angst davor zu reisen, vor allem allein. Es macht mich sehr glücklich zu sehen, wie Menschen sich weiterentwickeln und die Welt entdecken.

„Laufen macht mich zu der Person, die ich bin“

Kathrine Switzer mit Mitgliedern ihrer Organisation "Fearless 261"

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Was bedeutet Ihnen das Laufen heute?

Es ist mein spirituelles und körperliches Zentrum – von ihm ziehe ich mein Selbstvertrauen, meine Widerstandsfähigkeit, meine Religion, meine Verbundenheit mit der Natur, meine Kreativität, meine Verbindung mit meiner Arbeit und meinem Ehemann. Am allermeisten macht es mich jedoch zu der Person, die ich bin. Ob sich die Bedeutung des Laufens verändert hat? Ja, jeder kann es machen und es rennen Abermillionen von Menschen. Millionen Frauen laufen. Es ist zum Trend geworden. Früher wurde der Sport nur von Menschen betrieben, die man für Exzentriker hielt und fast gar keine Frauen liefen. Heutzutage nimmt niemand mehr eine laufende Frau anders wahr, zumindest nicht in industrialisierten Ländern.

Wie motivieren Sie sich immer noch zum Laufen?

Ich sage mir selbst, dass ich mich nach einem Lauf immer besser fühlen werde; ganz egal, wie schlimm der Tag auch ist, ein Lauf macht ihn besser. Wenn es ein guter Tag ist, macht ein Lauf ihn noch besser. Ich erinnere mich auch immer wieder daran, dass Laufen, wo ich älter werde, das Beste ist, was ich für meine körperliche und geistige Gesundheit tun kann, und dass ich damit fortfahren muss, wenn ich weiterhin stark und gesund bleiben möchte.          

Autorin: Tina Langer, Managing Editor und Online-Redakteurin, Artikel erschien im Online Portal Wunderweib.

Artikel eingestellt am 3.9.2024
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